Damals und Heute - ein Rückblick
Das Schiessen
Es fasziniert.
Es verbindet.
Es ist ein Mysterium!
Das sportliche Schiessen, egal ob Bogen, Pistole oder
Gewehr, war schon immer ein Mysterium und wird immer ein Mysterium bleiben.
Mehr instinktiv als gesteuert, fliegt das Geschoss oder der Pfeil in Richtung
10. Doch mit den neuen "Erkenntnissen" kommen neue Herausforderungen,
und das nicht immer nur zum Guten. Nicht umsonst sinken die erzielten
Ergebnisse der letzten Jahre. Beispiel Blankbogen. Zu meinen guten Zeiten,
Mitte der 2000er, waren noch 535-540 Ringe notwendig, um in der DM in der Halle
zu glänzen. 540 Ringe mit dem Blankbogen sind ein Wort. Natürlich gab es
zwischenzeitlich ein paar Schützen, die auch dieses Ergebnis noch übertreffen
konnten, aber neuzeitlich erscheint diese Ringzahl ein weiteres Mysterium zu
werden. Wenn ich nicht selbst schon Landesrekord mit 534 Ringen geschossen
hätte, würde ich es nicht glauben. Denn ich selbst bin ebenfalls nicht mehr in
der Lage, meine damaligen Ringzahlen zu erreichen. Nicht mal annähernd. Und das
kotzt mich tierisch an, wenn auch ein klitzekleiner Trost dabei ist - den
anderen Schützen scheint es genauso zu gehen. 2016 DM Halle - noch nie war der
DM Titel so billig wie heute.
Mit mehrere Landesmeister-Titeln, einem DM-Vizetitel im DSB,
4 DM Titeln im DFBV und ungezählten gewonnenen Turnieren war meine "Karriere"
zwischen 2008 und 2011 am Höhepunkt. Das Trainieren fiel mir leicht, mindestens
4-5x die Woche war normal. Meine aussergewöhnliche, völlig konträre Technik
funktionierte gut und die Erfolge waren umfangreich bemerkenswert. Jahrelang
dominierte ich die Stilart "Bowhunter Recurve", brach den Schweizer
Rekord gleich um 20 Ringe, schoss Weltrekord, Deutscher Rekord und spielte mit
meinen Mitstreitern nach Belieben. Doch irgendwann will man immer noch höher
hinaus und eigentlich, so sagten meine Kollegen und Vereinskameraden, kann man
so, wie ich mich da an der Schiesslinie anstellte, gar nicht treffen.
Eigentlich ist das alles gegen jegliche Buchform und gegen jegliche
Lehrmeisterei. So schiesst man nicht, so kann man nicht gewinnen. Mach es
endlich mal richtig, dann schiesst Du locker nochmal 20 Ringe mehr. So die
Empfehlung meiner Umgebung. Und ich habe ihnen geglaubt.
Danach begann ich, zusammen mit meinem Trainer meine Technik
umzustellen. Endlich mal den Kopf in die richtige Richtung drehen. Endlich mal
sauber nach hinten lösen. Endlich mal richtig auf der Scheibe den Zielpunkt
finden. Ich fing an, meinen Bogen und meine Schusstechnik umzustellen und aus
dem Lehrbuch zu kopieren. Und nichts war mehr wie vorher.
Wer schon mal Blank geschossen hat, weiss, wie schwierig das
Zielen sein kann. Die Pfeilspitze, der Sehnenschatten, die Auszugkontrolle über
Muskulatur und Gefühl sind hier entscheidend. Gelingt es, absolut wiederholbare
Abläufe zu generieren, so gelingt es auch, saubere 10er zu schiessen. Einen
nach dem anderen. Während der DFBV DM in 2008 erreichte ich im ersten Durchgang
286 von 300 möglichen Ringen. Mit dem Blankbogen! Nie wieder hat das jemand
nach mir erreicht. Bis heute nicht. Und das coole an der Geschichte war, mein
Zielpunkt lag in dieser Zeit etwa 20cm ausserhalb der Scheibe im Niemandsland.
Ich war fokussiert. In meinem Kopf drehte sich alles nur um
den einen Pfeil, den einen Schuss, die eine Mitte. Heute dreht sich in meinem
Kopf ein Kettenkarussel - während ich den Bogen hochstemme und ausziehe,
erreichen mich ungefähr 9 Millionen Gedanken: Du hast das schon mal geschafft,
die Mitte ist das Ziel, weisst Du noch, damals, sauber ausziehen,
Sehnenschatten, genau mittig anhalten, aber was ist, wenn mittig nicht richtig
ist? Stimmt der Sehnenschatten? War der schon immer so komisch, oder liegt das
am Licht? Wenn der jetzt nicht stimmt... Du schleichst! Idiot! Höher anhalten!
HÖHER ANHALTEN! Du bist zu tief! Nicht schleichen, Sehnenschatten immer noch
richtig? Nein - schon wieder geschlichen... Kontrolle! Lösen! Nachhalten! 8....
Scheisse...
Mit gekrümmtem Rücken, kochendem Magen und dezimiertem
Selbstbewusstsein trete ich den Nachhauseweg an. 488 Ringe. Von 600. War ich
früher jemals so schlecht? Alles unter 500 war für mich ein "Aufhören".
Heute ist alles über 480 ein Erfolg. Warum? Ich weiss es nicht. Ich drücke mich
selbst in eine Ecke, in der ich nie sein wollte. Der Spass am Schiessen fehlt.
Der erwartete Spass am Erfolg fehlt, denn der Erfolg fehlt. Heute trainieren?
Ach nee, komm, das geht auch morgen noch...
Und so habe ich meinen geliebten Stolid Bull nach zwei
erfolglosen Jahren in die Ecke verfrachtet und eingemottet. Good bye my dear,
wir hatten eine wirklich tolle Zeit. Alles geht einmal zu Ende....Wir werden
zusammen bleiben.
Doch jedes Ende bedeutet gleichzeitig einen neuen Anfang.
Auf zu neuen Ufern! Darüber lest ihr in meinem Blog.